Die HIV-Infektion: Das Virus – die Übertragungswege

Das Virus

HIV (Humanes Immundefizienz-Virus) ist ein Retrovirus und gehört zur Familie der Lentiviren. „Retro“ (lat. zurück, rückwärts) deshalb, weil diese Viren ihre Erbinformation in RNA (Ribonukleinsäure)  gespeichert haben, und nicht –  wie andere Viren oder Organismen – in DNA (Desoxyribonukleinsäure). Bevor die RNA-basierte virale Erbinformation in Zellen eines  Wirtsorganismus integriert werden kann, muss sie also mithilfe eines spezialisierten Enzyms in DNA „zurückgeschrieben“ werden.

HIV ist phylogenetisch sehr jung; erste Infektionen sind erst in den 1950er Jahren in Afrika aufgetreten. Mittlerweile ist das Virus weltweit verbreitet, mehr als 30 Mio. Menschen sind infiziert. Und obwohl es in den Industrieländern seit über zehn Jahren gute Therapiemöglichkeiten gibt, ist der größere Teil der infizierten Menschen von einer angemessenen medizinischen Versorgung weiterhin ausgeschlossen.

Übertragungswege

HIV ist im Vergleich zu anderen Viren relativ schwer übertragbar. Das Hepatitis B-Virus beispielsweise ist in der Übertragbarkeit etwa um den Faktor 1000 effizienter. Auch reicht für eine Infektion nicht ein einzelner Erreger aus, wie dies zum Beispiel bei der Salmonellen-Erkrankung der Fall ist, sondern es bedarf einer gewissen Virusmenge, damit eine Infektion erfolgen kann. Aus diesem Grund sind Schweiß, Tränenflüssigkeit, Speichel, Urin und Kot nicht infektiös. Sie enthalten zwar auch – in geringer Konzentration – HIV, die jedoch für eine Ansteckung nicht ausreichend ist. Ansteckend sind allein Blut, Sperma und Vaginalflüssigkeit. Hieraus ergeben sich die Übertragungswege: im alltäglichen zwischenmenschlichen Umgang ist HIV nicht infektiös. Am häufigsten wird HIV in Deutschland durch Geschlechtsverkehr übertragen und – auf Grund verbesserter Prävention – nur noch in Einzelfällen durch intravenösen Drogenkonsum oder berufliche Exposition.

Auf unverletzter, verhornter Haut sind auch Blut, Sperma und Vaginalsekret nicht ansteckend, sollten aber dennoch mit Seife abgewaschen werden, da sich in der Haut spezialisierte Immunzellen (Langerhanssche Zellen) befinden, die Zielzellen von HIV sind und nach längerer Kontaktzeit auf Grund theoretischer Überlegungen infiziert werden könnten. Als wichtigste Grundregel gilt, dass infektiöse Körperflüssigkeiten nicht auf Schleimhäute oder direkt in die Blutbahn gelangen sollten. Vaginalverkehr ist für beide Partner infektiös, für die Frau besteht ein deutlich höheres Risiko als für den Mann, da die HIV-Konzentration im Sperma erheblich höher ist als im Vaginalsekret. Auch Analverkehr ist für beide Partner infektiös. Dies liegt an einer hohen Verletzungsempfindlichkeit der Darmschleimhaut, so dass praktisch immer kleinere Blutungen auftreten. Außerdem finden sich Zielzellen von HIV zahlreich in der Schleimhaut des Dickdarms. Eine Ansteckung des passiven Partners kann auch ohne Ejakulation erfolgen.

Oralverkehr ist für den aktiven Partner in bestimmten Fällen infektiös, für den passiven jedoch nicht. Bei penilem Oralverkehr („Blasen“) besteht eine Infektionsgefahr nur dann, wenn Sperma in den Mund gelangt; das Prostatasekret (auch Vortropfen oder Lusttropfen genannt) enthält zwar in niedriger Konzentration HI-Viren, die Infektionsdosis ist aber nicht ausreichend. Ist es zu einer Ejakulation in den Mund gekommen, sollte das Sperma nicht geschluckt sondern sofort ausgespuckt werden. Dann mit reichlich Zahnpasta den Mund und Rachenraum wiederholt spülen. Zahnpasta enthält Substanzen, die die fetthaltige Virushülle effektiv zerstört – ohne Hülle ist HIV nicht mehr infektiös. Beim vaginalen Oralverkehr hängt das Infektionsrisiko von der Sekretionsmenge ab; generell ist es gegeben, wenn auch gering bis sehr gering.

Infektionswahrscheinlichkeit

Analverkehr birgt das höchste Risiko, es folgen Vaginalverkehr (für die Frau höher als für den Mann) und Oralverkehr mit Ejakulation. Die Daten zur sexuellen Übertragungswahrscheinlichkeit sind uneinheitlich; sicher ist, dass die Übertragungswahrscheinlichkeit pro einzelnem Risikokontakt deutlich unter 50% liegt. Dennoch gibt es genügend Beispiele für eine HIV-Übertragung bei einem einzigen Risikokontakt.

Das statistisch höchste Risiko birgt das gemeinsame Benutzen von Injektionsnadeln, da infektiöses Blut direkt in den Blutkreislauf gespritzt wird.

Das Infektionsrisiko ist bei erfolgreich behandelten HIV-Infizierten extrem gering, wenn die Viruskonzentration im Blut („Viruslast“) seit mehr als sechs Monaten unter der Nachweisgrenze (<50 Viruskopien/ml Blutplasma) ist und die regelmäßige Einnahme der Medikamente sichergestellt ist.

Bei gleichzeitigem Vorliegen von Geschlechtskrankheiten wie Gonorrhoe („Tripper“), Syphilis, einer Herpes- oder einer Clamydieninfektion ist die HIV-Infektionswahrscheinlichkeit erhöht.

Durch berufliche Exposition im Gesundheitswesen kommt es nur in Einzelfällen zu einer Infektion. Selbst bei die Haut penetrierenden Stichverletzungen mit einer virusmaterial-haltigen Hohlnadel kommt es nur in 1-2% der Fälle zu einer HIV-Übertragung. Die Infektionswahrscheinlichkeit hängt entscheidend von der Höhe der Viruskonzentration des Patienten ab.

Generell gilt: Übertragungswahrscheinlichkeiten lassen sich nur bei Kenntnis des Individualfalles durch einen mit der HIV-Infektion vertrauten Arzt genauer einschätzen.